Programmatik und vier Schwerpunkte
Unser Verständnis von Stadtforschung
Zwei intellektuelle Verankerungen
Das GSZ steht für eine Stadtforschung, die verschiedene Standpunkte zu urbanen Phänomenen und Transformationen kombiniert und ausbalanciert. In der jüngeren Geschichte des GSZ waren Gentrifizierung, Tourismus und Stadtökologie, Kulturerbe-Industrie, Wohnungsbau, städtische Bildung, städtische Armut und Migrationsbewegungen für uns auf unterschiedliche Weise von Interesse, wobei wir uns darüber im Klaren waren, dass Ansprüche und das Recht auf Stadt ein Spannungsverhältnis erzeugen.
Urban citizenship als Ausdruck, wenn nicht gar Erzeuger von Unterschieden, und die Fragmentierung von Ansprüchen wirkt sich auf das Recht auf Stadt als universelles, alles einschließendes Ideal aus (Blokland et al. 2015). Wir haben einen Trend zu einer Diversifizierung der Interessen, einer Schwächung der Bewegungen und sogar zu einem Wettbewerb um Rechte und Ressourcen festgestellt, anstatt eine gegenseitige Solidarität zwischen verschiedenen Gruppen auf dem Weg zu einer lebenswerten Stadt zu entwickeln. Urban citizenship steht immer in Beziehung zu den Modi des Regierens. Inspiriert von James Scotts „Seeing Like a State“ zielt unsere Arbeit darauf ab, verschiedene Arten und Maßstäbe des Regierens des Städtischen zu untersuchen, wobei wir der "Stadt" als ein Set lokaler staatlicher Institutionen besondere Aufmerksamkeit schenken. Dieses Set imaginiert, reguliert, kategorisiert, klassifiziert und interveniert im Urbanen und gestaltet so Bürgerschaft und Zugehörigkeit. Aber die Stadt kann weder „gemacht“ noch geplant werden und wird immer, wie Abdou-Maliq Simone formuliert, durch Praktiken und Logiken außerhalb des Blickes des Staates entstehen, die sich Normen und Kategorien entziehen. Stadtpolitik muss Grenzen ziehen und kategorisieren, da jede politische Entscheidung eine Kategorisierung impliziert. Zwei Anker des Programms des GSZ wurden entwickelt, um diese Spannung zu adressieren. Diese Anker - – „Seeing like a City“ und „Seeing the City Through“ - wurden in unseren theoretischen Beiträgen zum Feld entwickelt und bilden die Grundlage für die meisten unserer Forschungsarbeiten in unseren thematischen Clustern.
Erster Anker: „Seeing like a City“
Lange Zeit wurden Städte und urbane Infrastrukturen mit dem Versprechen entwickelt, mit der „richtigen" Planung und der „richtigen" Politik könne die nachhaltige Stadt, die Stadt der Gerechtigkeit, die kohäsive Stadt oder die resiliente Stadt geplant und umgesetzt werden. Während die kritische Stadtforschung diese Vorstellung längst ad acta gelegt hat, stützen sich die Praktiken der Stadtverwaltung und die Umsetzung der Politik stark auf implizite Vorstellungen von der Stadt, die "gemacht" werden soll. Vor diesem Hintergrund wollen wir untersuchen, wie „Seeing like a City“ nicht nur die Komplexität des Städtischen reduziert, sondern auch neue Komplexitäten und Zwischenräume schafft.
Zweiter Anker: „Seeing the City Through“
Unsere Arbeit zielt auch darauf ab zu verstehen, wie alltägliche Praktiken und Infrastrukturen der Menschen die Stadt als unintendierte, ungeplante und gewöhnliche Form des Urbanen hervorbringen. Dieser Schwerpunkt verdeutlicht die Notwendigkeit dezentralisierter und dezentrierter Formen des Sehens und Zuhörens in der Stadt, die das Verständnis von Städten als demografische Gebilde und andere Formen des zahlenbasierten Wissens ergänzen. Dabei werden der Widerstand, die Überflutung und die Unregierbarkeit nicht-menschlicher Elemente städtischer Gebilde wie Materialien, Tiere und Klimazonen untersucht. Inkrementelles Lernen, multiple Formen des Lesens, Performativität und nicht-repräsentative Formen des Theoretisierens sind alles Beispiele für diese theoretische Perspektive.
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Scott, J. (1999) Seeing like a State. New Haven: Yale University Press.
Simone, A. (2004) For the City Yet to Come: Changing African Life in Four Cities. Durham: Duke University Press.
Blokland, T., Hentschel, C., Holm, A., Lebuhn, H. & Margalit, T. (2015) Urban Citizenship and Right to the City: The Fragmentation of Claims: URBAN CITIZENSHIP AND RIGHT TO THE CITY.” International Journal of Urban and Regional Research 39(4):655–65.
Vier Schwerpunkte
Urban In/equalities: Citizenship, Justice and Equality
Strukturelle Ungleichheiten und Konzeptualisierungen von urbanem Citizenship, sozialer Gerechtigkeit und Zusammenhalt werden auch in den kommenden Jahren die ethischen und politischen Diskurse prägen. Ein zentraler Forschungsschwerpunkt des GSZ liegt auf den Dynamiken und Mechanismen der (Re-)Produktion von Ungleichheiten, insbesondere in den Bereichen öffentlicher Raum und Citizenship, Wohnen, Bildung und Zugang zu städtischen Ressourcen. Ein Schwerpunkt sind die Auswirkungen der Brüche des sozialen Lebens in der Stadt nach COVID19, insbesondere für Frauen und ihre Care-Praktiken, um die Bedeutung der räumlichen Anordnung von Infrastrukturen für die Dauerhaftigkeit von Ungleichheit zu beleuchten.
Urban Un/sustainabilities: Nonhuman Agency and Environmental Justice
Die globale Erwärmung, Umweltverschmutzung und die daraus resultierenden globalen Gesundheitsprobleme haben weltweit entscheidene Fragen zur Nachhaltigkeit von Städten aufgeworfen, was zu erheblichen Veränderungen der städtischen Infrastruktur und Ökologie geführt hat.
Die Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit und Nicht-Nachhaltigkeit umfassen ein breites Spektrum an Entwicklungen. Dazu gehören groß angelegte Infrastrukturprojekte zur Förderung eines grünen und intelligenten Städtebaus zur Anpassung und Abschwächung des Klimawandels, aber auch experimentelle grassroot-Bewegungen des Klimaschutzes und des Zusammenlebens mit verschiedenen Arten. Diese Transformationen gehen über die traditionellen Elemente des green-Urbanisms hinaus und beziehen verschiedene Aspekte wie Böden, Feinstaub und Mikroorganismen. Sie bringen auch umstrittene Definitionen mit sich, was für wen und aufbauend auf welchem Wissen als nachhaltig gilt. Urbane (Nicht-)Nachhaltigkeit zu untersuchen bedeutet daher das Untersuchen von aufkommenden Wissenspraktiken, Formen der Beweisführung und der Infragestellung institutionellen Fachwissens.
Public De/mobilisations: Researching alongsides Struggles around Decolonial and Commons-Oriented Urbanism
Städte spielen bei der Bildung und Mobilisierung von "issue publics", selbstorganisierten
Gruppen, die von bestimmten städtischen Veränderungen betroffen sind, eine zentrale Rolle. Dies ist besonders relevant im Kontext von "right to the city"-Bewegungen, Commons-orientiertem Urbanismus und postmigrantischen und dekolonialen Auseinandersetzungen mit der Stadtlandschaft. Das Konzept der städtischen Öffentlichkeit umfasst verschiedene Formen der Stadtgestaltung, darunter Protestbewegungen, Guerilla/DIYUrbanismus, Bürger*innen Initiativen, formale Partizipation, aktivistische Fachmenschen und kooperative Stadtplanung. Diese Mobilisierungen stellen Herausforderungen an die politische Entscheidungsfindung, die Wissensproduktion und juristischen Normen und sind oft mit Infragestellung, des Othering und Policing konfrontiert. Folglich sollten Städte Räume für politische Konflikte, Wissenskontroversen und Akte von CItizenship gedacht werden.